Es ist Anfang Februar 2016 und endlich ist es soweit. Eines meiner Reiseziele, das ich seit langem auf meiner Fotoliste habe, steht kurz davor erkundet zu werden. Von Berlin, über München und Istanbul (über meinen Aufenthalt in der Türkei werde ich zu einem späteren Zeitpunkt berichten) geht es mit dem Flieger voller Japanerinnen, alle versehen mit Mundschutz, nach Osaka.
Sushi zum Frühstück Teil 1
Nach Istanbul wird Japan quasi einen Kulturschock für mich darstellen. Einen Positiven selbstverständlich. Dessen bin ich mir sicher. Um 19:00 Uhr Ortszeit in Osaka gelandet geht es nach der Einreise, der Erledigung nerviger Formalitäten und der Abholung des Mietwagens in unser Hotel im Herzen Osakas. Schlaf. Ich kann an nichts anderes mehr denken als ans schlafen. Der 13 stündige Flug war trotz der Ruhe und des tollen Servicepersonals an Bord anstrengend und ich bin wie gerädert. Sitzen, gucken und schlafen schlaucht halt auch, wenn es so viel Spannendes und Neues gibt.
Drei Stunden später ist der ersehnte und dringend benötigte Schlaf auch schon wieder vorbei. Der Wecker zerstört sämtliche Träume meinerseits von wunderschönen Blumenwiesen, Schäfchen und weißen Wattewölkchen und treibt mich in die Realität zurück. Es ist 3:00 Uhr morgens. 19: 00 Uhr in Deutschland. Fast schon Schlafenszeit in der Heimat. Wir müssen los zum ersten Fotospot. Meoto Iwa zum Sonnenaufgang. Es liegen ca. drei Stunden Fahrt vor uns. Wir sind wie ferngesteuert. Zombies. Merkwürdige Gedanken im Halbschlaf auf der Autobahn. Was wird uns erwarten?
Angekommen sind wir eigentlich auch schon zu spät. Wenn wir wüssten wie oft wir in den nächsten Tagen noch zu spät kommen werden …
Der Sonnenaufgang steht kurz bevor.
Meoto Iwa besteht aus zwei Felsen. Auf einem Fels befindet sich ein kleines Torii, ein wichtiges Element der traditionellen japanischen Architektur und Tradition. Diese Tore aus Holz oder Stein markieren reale oder symbolische Eingangstore eines Schreins. Oftmals sind diese Torii in der traditionell Japanischen Farbe Shu-Iro, einem bestimmten Rot-Orangen Ton, angestrichen. Meoto Iwa besitzt aber eine weitere Besonderheit. Übersetzt heißen die beiden Steine Ehemann-Ehefrau Felsen oder die verheirateten Felsen. Dieses Felsenpaar im Pazifik, vor der Küste der Stadt Ise, ist durch ein Shimenawa-Seil verbunden und gilt für den benachbarten Okitama-Schrein als Heiligtum.Die Konditionen an diesem Morgen sind denkbar ungünstig. Kaum aufgebaut schiebt sich die Sonne über den Horizont und zerstört das Motiv durch die hässlichen, harten Schatten, die sie wirft. Dazu kommt der starke Wind, der eine Langzeitbelichtung unmöglich macht. Selbst mein Schirm schafft es nicht den Wind vollständig abzuhalten. Ein Blick auf das Display und mir wird klar … es geht nicht. Alle Fotos sind verwackelt. Wieder einpacken und das Gebiet mit der Kamera erkunden um beim nächsten Besuch vorbereitet zu sein.
Wir müssen dringend etwas Essbares finden. Ich verhungere und bekomme schlechte Laune. Schlechtes Licht, gutes Motiv und kein Frühstück stellen eine gefährliche Kombination dar. Die nächstbeste Möglichkeit um etwas essbares „zu erjagen“ wollen wir ergreifen. Nichts hat geöffnet außer die kleinen 24h-Supermärkte am Rand der Schnellstraßen. Es gibt Fertigsushi. Den anderen Angeboten traue ich noch nicht. Für bunte Bilder, Comicfiguren und fremde Schriftzeichen bin ich zu müde und unflexibel. Noch.
Nach dem Frühstück schaut die Welt wieder viel schöner aus. Es ziehen sogar ein paar Wolken am Horizont auf. Ich überzeuge Michael davon umzukehren weil ich das Gefühl habe doch noch etwas aus Meoto Iwa herausholen zu können. Obwohl wir geplant haben die Felsen an einem anderen Tag zum Ende unserer Reise nochmals zu besuchen lässt mich der Gedanke nicht los ein brauchbares Foto davon zu schießen. Das Fotofieber hat mich gepackt. Oder der Wahnsinn aufgrund des Schlafmangels. Ich habe mich festgebissen. Kaum am Spot angekommen sind die Wolken wieder verschwunden und das Licht ist grässlicher denn je. Ich gebe mich für´s Erste geschlagen. Zurück zum Auto. Nein noch nicht, denke ich! Wieder ziehen ein paar große, dicke Wolken auf. Ich lege einen 500 Meter Spurt vom Parkplatz zum Felsenduo hin, baue auf und warte bis sich die Wolken vor die Sonne schieben. Zehn Minuten. 20 Minuten. Dreißig Minuten. Sobald die harten Schatten verschwinden drücke ich ab. Zweieinhalb Minuten Belichtung. Es passt! Zeitgleich mit dem Beenden der Aufnahme kommt die Sonne wieder hervor. Das Foto habe ich mir zum Einstand hart erarbeitet. Es kann also los gehen. Japan wir kommen! In ein paar Tagen wird sich heraus stellen, dass ich doch nicht so zufrieden mit der Aufnahme bin so dass wir den Ort ein weiteres Mal besuchen werden. Ein gutes Motiv erfordert eine Menge Einsatz. Dann aber stimmt es auch.
Die nächste Station ist die Stadt Hakone, bzw. ein Torii, welches sich am Lake Ashi befindet. Die Stadt Hakone bietet eine Vielzahl von Torii, die den Weg zum berühmten Hakone Schrein (Hakone Jinja) markieren. Das erste Torii befindet sich am Ufer des Lake Ashi und besitzt eine sagenhafte Höhe von mindestens 15 bis 20 Metern. Es weist den Weg vom Ufer des Sees hinauf zum Schrein, thronend über der Stadt. Nachts im Hotel angekommen wird mir schnell bewusst, dass es wieder nicht mehr als ein paar Stunden Schlaf geben wird. Wir möchten vor Sonnenaufgang am Spot sein um nicht in Hektik zu verfallen falls wir das Torii nicht sofort finden oder andere Überraschungen auf uns zukommen. Im Auto wird gefrühstückt. Sushirollen vom Vortag. Wer schöne Fotos haben will muss leiden.
Angekommen am Torii weiß ich meist weshalb ich diese Torturen auf mich nehme. Wunderschönes, weiches Licht. Ein sagenhaft, verwunschener Wald. Ein wunderschön gepflasterter, kleiner Weg und das Objekt der Begierde. Das Torii im Lake Ashi. Jetzt heißt es Equipment aufbauen, alle Einstellungen vornehmen und auf das richtige Licht warten. Am besten ohne Zuschauer, bzw. weitere Touristen, die unbekümmert ins Bild laufen könnten. Gesagt, getan. Alles geht sehr schnell und das Foto ist im Kasten. Die Sonne steigt schräg links über die Berge, so dass das Licht schnell hart und langweilig wird. Definitiv ist dieser Spot besser für einen entspannten Abend geeignet, da die Sonne im Rücken unter geht.Kurz nachdem die Sonne über die Berge steigt kommen die ersten Besucher. Damit ist unsere Zeit hier definitiv vorbei. Wir haben unsere Fotos und es kann weiter gehen. Mit guten Fotos und rohem Fisch im Auto.
Das nächste Ziel heißt Oarai, eine Stadt, die sich, wie Ise, an der Ostküste Japans befindet. Vor den Toren der Stadt befindet sich auf einem Felsen ein kleines Torii, das den Weg zum Isosaki-Jinja weist. 280 Kilometer liegen vor uns aber wir haben genug Zeit. Also keine Eile. Auf dem Weg nach Oarai passieren wir Yokohama und Tokio, die quasi ineinander über gehen. Stundenlang passieren wir nur Häuser, die sich rechts und links am Straßenrand befinden.Straßen, Häuser, Menschen, Ampeln. Tokio ist an diesem Tag besonders leer und aufgeräumt. Es ist Feiertag. Kaum Autos auf den Straßen, was uns riesig freut. Wir haben uns unser Mittagessen trotz entspanntem Fahrens redlich verdient und suchen uns eine kleine Ramenküche für eine schmackhafte Suppe. Spannend. Die Bestellung wird nicht, wie von uns gewohnt, von einem Menschen aufgenommen sondern von einer Maschine. Gericht auswählen, Geld einwerfen, Zettel ziehen und beim Koch abgeben. Nach zwei Minuten steht die Suppe auf dem Tisch, die man hier mit lautem Schlürfen und hochziehen genießen kann. Macht jeder so, also auch wir. Anstatt eines Mittagsschläfchens erkunden wir die Stadt und entschließen uns weiter zu fahren um zum Sonnenuntergang am Torii in Oarai zu sein. Das heiß ersehnte Mittagsschläfchen gibt es im Hotel. 15 Minuten. Mittagsschläfchen Japan Style.
Anschließend geht es zum geplanten Fotospot. Dem Torii des Isosaki Schreins. Die Besonderheit dieses Torii ist auch hier wieder, dass es sich auf einem Felsen mitten im Wasser befindet. Dazu kommen eine Vielzahl von Perspektiven mit denen man spielen kann. Das Torii kann von der Strandpromenade sowie direkt vom Strand aus aufgenommen werden. Durch den Wechsel der Perspektiven versuche ich mit den Felsen im Vordergrund zu arbeiten, bzw. die Aufnahme sehr minimalistisch zu gestalten und nur den langgezogenen Felsen im Vordergrund ins Foto zu nehmen.
Cleverer Weise sollte man sich als erfahrener Fotograf immer mindestens eine halbe Stunde bis Stunde Zeit nehmen um das Motiv zu erkunden und verschiedene Perspektiven ausprobieren. Zeitlich haben wir jedoch nicht mehr als ein paar Minuten Zeit bevor das für uns spannende Licht zu leuchten beginnt und die Finger auf den Auslösern zucken lässt. Der Himmel ist wolkenfrei. An sich eine sehr saubere Atmosphäre für Langzeitbelichtungen, da die Strukturen am Himmel vollständig fehlen. Gleichzeitig aber auch eine schwierige Lichtsituation, da man den Moment abpassen muss an dem sich die Sonne hinter den Horizont schiebt und keine störenden Schatten mehr wirft. Der Slot zum fotografieren ist während solcher Lichtsituationen besonders eng. Uns bleiben ca. 20 bis 30 Minuten Zeit bis sich das Licht vollständig verabschiedet und die Arbeit mit den Dichtefiltern nicht mehr möglich ist. Muss es aber auch nicht. Die Aufnahmen sind im Kasten.Der Spot scheint sehr beliebt zu sein. Eine Reihe von Fotografen hat sich während des Abends am Strand eingefunden. Während wir zusammenpacken und beschließen ins Hotel zu fahren verbleiben ein paar hartnäckige Japaner vor Ort. Sternenfotografie ist angesagt. Nicht mit uns. Wir sind hundemüde und geschafft. Morgens ruft das nächste Highlight. Von Urlaub und Ausschlafen keine Spur.
Wir haben uns eine Autobahnbrücke in der Nähe von Hitachi ausgeguckt. Problem: Die Sonne. Noch immer ist keine Wolke am Himmel zu sehen, und die helle Scheibe geht ziemlich genau neben der Brücke auf. Wir haben also mit Gegenlicht zu kämpfen. Im Grunde genau das, was ich nicht möchte. Die Brücke ist eigentlich ein Motiv für den Abend bzw. für einen stark bewölkten Himmel, aber die Zeit haben wir leider nicht. Also eine Stunde vor Sonnenaufgang am Spot sein und loslegen. Die Spur dieser Autobahnbrücke stellt für mich etwas ganz Besonderes dar, da sie einen Schwenker hinaus auf den Pazifik macht. Ein wunderschönes Motiv mit einem tollen Schwung. Bezüglich des Fotos habe ich hier allerdings etwas geschummelt. Im Originalfoto geht der Schwung nach links. Für mein Auge eher unharmonisch wirkend. Aus diesem Grund gibt es immer wieder Fotos, die ich horizontal spiegele. Für mich steuert ein Verlauf von links nach rechts das Auge harmonischer durch ein Foto als andersherum.
Motiv erfolgreich abgeschlossen und weiter gen Norden. Hokkaido ruft.Über die drei Berge von Dewa fahren wir weiter nach Akita und weiter nach Aomori. Dort befindet sich unsere Fähre, die uns in vierstündiger Fahrt nach Hakodate auf Hokkaido, der nordlichsten Insel Japans, bringen soll.
Bei den drei Bergen von Dewa handelt es sich um drei heilige Berge, einer Pilgerstätte in der Präfektur Yamagata. Besonders die fünfstöckige Pagode Gojunoto am Haguro hat mich beeindruckt. Mitten im tief verschneiten Wald steht ein Bauwerk, das nicht von dieser Welt zu sein scheint. Kaum dort angelangt ist eine merkwürdige, ungewohnte Atmosphäre spürbar. Alles wirkt still und friedlich. Nichts ist zu hören außer das Stapfen unserer Füße.Später fühle ich mich wie aufgeladen. Die Batterien sind wieder voll. Ob das an der angeblich heiligen Ausstrahlung der Berge liegt?Fotografisch ist der Ort leider nicht umsetzbar, da das Licht für mich unbrauchbar ist und der Schnee nicht mehr wirklich frisch wirkt. Abgespeichert wird der Ort aber in jedem Fall für unseren nächsten Besuch während einer anderen Jahreszeit.
Angekommen in Aomori geht alles recht schnell. Fährtickets kaufen und hektisch mit dem Auto rauf auf die riesige Autofähre, die uns nach Hokkaido bringen soll. Die Fähren fahren leider nur zwei Mal pro Tag und wir sind, wie kann es anders sein, fast zu spät. So oft wie wir in den letzten paar Tagen zu spät kamen, kam ich wohl in meinem ganzen Leben nicht zu spät.Mit uns fahren eine Hand voll LKWs und ein paar wenige PKWs, die sauber und ordentlich auf den Parkdecks der riesigen Fähre geparkt werden. Alles in Allem möchte anscheinend kaum jemand auf die Insel. Der Wetterbericht sagt Minusgrade und schwere Schneestürme voraus. Alle paar Meter steht ein freundlicher Mann im neonorangen Overall mit Schwenklichtern in den Händen und winkt uns den Weg zurecht. Verfahren ist praktisch unmöglich und gegen Ecken und Wände prallen wird zu 100% ausgeschlossen. Vor jeder Ecke steht ebenfalls ein Einweiser, der darauf achtet, dass alles glatt läuft. Ein sehr sicherheitsbewusstes Völkchen halt.Spannend so eine Fähre, die typisch japanisch irgendwie alles bieten kann was man sich gerade wünscht. Für Speis und Trank ist gesorgt. Klar. Neben obligatorischen Souvenirshops voller „Kawaii Kawaii“ gibt es u.A. einen Abschnitt in denen dutzende Spielautomaten verschiedenster Art stehen. Dazu Räumlichkeiten in denen gestresste Eltern ihre Kindern bespaßen können und große, leere Ruhezonen. Dort hat man die Möglichkeit sich abzulegen und abzuschalten. Die Fahrt soll ca. vier Stunden dauern. Für Spielautomaten bin ich nicht zu haben, also wird geruht. Die Ruhezonen sind allerdings reichlich unbequem. Wir haben nur eine Möglichkeit es uns gemütlich zu machen. Auf den harten Boden legen. Stühle oder Bänke sind weit und breit nicht zu sehen. Ein wenig Komfort bekommt man dennoch geboten. Sauber und ordentlich gestapelt finden sich in jedem Abschnitt kleine rechteckige Kissen aus Leder, auf denen man es sich gemütlich machen darf. Zögerlich schnappe ich mir eines der Kissen, auf denen wohl schon der eine oder andere Mensch gelegen hat und schlafe ein. Möge uns die stürmische See nach Hokkaido bringen.
Hier geht es zum zweiten Teil des Reiseberichts.
Danke für´s mitlesen und bis bald.