Es war wieder soweit.Seit Ende Februar habe ich Berlin nicht mehr verlassen und aufgrund der fehlenden Reisen bin ich mit der Zeit etwas unausgeglichen. Aufgrund dessen, und um weitere potentielle Fotospots für den zukünftigen Fotoworkshop in der Sächsischen Schweiz auszukundschaften, sind Daniel vom Fotoatelier Berlin und ich am Freitag Morgen um 1:30 Uhr ins Elbsandsteingebirge aufgebrochen.
Die Wettervorhersagen für Samstag und Sonntag waren miserabel. Regen und Unwetter drohten aber wer nicht wagt der nicht gewinnt. Ungewöhnliche Fotos verlangen ungewöhnliche Maßnahmen. Morgens auf dem Weg durch Brandenburg und Sachsen sind uns Füchse, Waschbären und sogar Rehe begegnet. Vorsichtiges Fahren war geboten um einen Autounfall zu vermeiden. Nach knapp drei Stunden kamen wir an unserem Ziel, dem Lilienstein, an. Die Nacht war fast sternenklar. Müde machten wir uns an den holperigen, steinigen Aufstieg um den Gipfel noch vor Sonnenaufgang zu erreichen. Die Beine waren noch schwer aber die Vorstellung eines schönen Sonnenaufgangs trieb uns an. Oben angekommen marschierten wir dem wohl begehrtesten Fotospot auf dem Lilienstein entgegen. Der knochigen, kleinen Kiefer auf einem Absatz des Berges. Nach unserem letzten Besuch im Oktober vergngenen Jahres wussten wir wie wir auf den Absatz gelangen ohne zu stürzen und fanden den freistehenden Baum in vielversprechendem Licht vor.
Auf Caspar David Friedrichs Spuren – Ein Wochenende in der Sächsischen Schweiz
Uns kam es vor als wären wir erst gestern dort gewesen. Eine leichte Brise wehte. Es war verhältnismäßig warm. Wir hatten genug Zeit zum entspannen, zum frühstücken und für den gemütlichen Aufbau unseres Equipments. Da die Kiefer genau in Richtung Osten zeigt warteten wir auf die aufgehende Sonne, die sich am Horizont ankündigte. Leichter Nebel waberte über die Felder. Das wird wunderbar, wussten wir. Und so war es. Direkt zum Sonnenaufgang startete ein Ballon in Königstein, der uns ein Stück entgegenkam und dann in Richtung Norden zur Bastei abbog. Durch den Nebel wurde ein herrlich weiches Licht gezaubert, das wie geschaffen für uns war.Die Kameras lösten nacheinander immer und immer wieder aus. Der perfekte Moment sollte nicht verpasst werden. Nach gut zwei Stunden hatten wir die Fotos im Kasten. Ein zweites Frühstück musste her. Wir hatten einen Bärenhunger.
Das Panoramahotel am Lilienstein, unser Stammhotel in Sachen Sächsische Schweiz, bot uns ein ideales Frühstück, das uns genug Kraft für den Tag und die weiteren Erkundungen spendete. Das nächste Ziel des Tages war der Pfaffenstein. Vorher mussten wir jedoch noch eine Unterkunft für die Nacht finden. Gar nicht so einfach denn die Hotels der Gegend waren komplett ausgebucht. So auch unser Lieblingshotel. Am Ende fiel unsere Entscheidung auf einen Campingplatz an der Elbe. Notlösung. Genauer gesagt haben wir uns zwei Holzfässer gemietet, die zu einem Schlafhäuschen ausgebaut wurden. Ein wunderbares Bett mit genug Stauraum für unser Gepäck war eine völlig neue Herausforderung für mich. Ich bin eigentlich kein Campingfan aber ich war neugierig. Wie das wohl ist in so einem Fass zu schlafen? Bald werde ich es wissen. Das Gepäck wurde verstaut und wir machten uns bei 28 Grad und strahlendem Sonnenschein auf den Weg zum Pfaffenstein. Von Fotowetter keine Spur.
Nach einer 20 minütigen Autofahrt erreichten wir den Parkplatz unterhalb des Berges und spurteten los. Der Schweiß lief nach ca. 10 Minuten an uns herunter und wir hatten gerade mal die ersten Stufen erreicht. Der Vorteil des Aufstiegs ist, dass er sich mitten im kühlen Wald befindet. Somit wird der Weg nach oben nicht durch starke Sonneneinstrahlung erschwert. Ins Schwitzen kamen wir trotzdem. Der Aufstieg ist beschwerlich aber ein absolutes Abenteuer. Über Stock und Stein, über Leitern und durch Felslöcher schoben wir uns nach oben. Nach ziemlich genau 15 Minuten erreichten wir durchgeschwitzt den Gipfel. Das erste Plateau bot einen herrlichen Blick auf die Festung Königstein und den Lilienstein. Das Licht um die Mittagszeit war miserabel, sodass ich keine Fotos geschossen habe. Aber nicht immer müssen Fotos gemacht werden. Wir genossen den Augenblick auf einem der Felsen, der in Richtung Norden zeigte. Der Spot eignet sich hervorragend für das Fotografieren zum Sonnenuntergang. Die Sonne geht etwas weiter links unter, sodass das Licht in den Abendstunden herrlich sein muss. Weiter ging es auf der Suche nach tollen Aussichten und Motiven. Auch auf dem Pfaffenstein sind die Wanderwege bestens gekennzeichnet und perfekt beschaffen. Gefährlichere Stellen sind durch ein Geländer gesichert und Eisenbrücken leiten den fröhlichen Wanderer über die zahlreichen Schluchten. Wir fanden wunderschöne Fotospots und machten uns auf den Weg zur Barbarine, einer charakteristischen Felsnadel an der Südseite des Pfaffenstein.
"Die Sage von der Barbarine"
„Der Sage nach ist die Barbarine eine versteinerte Jungfrau, das immerwährende Mahnmal eines Strafgerichts, nach welchem es geschehen seyn soll, daß eine Mutter ihre Tochter Sonntags habe heißen in die Kirche gehen, die Tochter aber sey währender Kirche auf den Pfaffstein in die Heydelbeere gegangen, und als sie die Mutter daselbst angetroffen, habe sie die Tochter im Zorn verwünschet, daß sie müsse auf der Stelle zum Stein werden; worauf solches augenblicklich also geschehen, und daher diese zum Stein gewordene Jungfer auf immer allhier stehe, und mit ihrem Steinbilde alle ungehorsame Kinder warne.“
So steht es auf der Tafel geschrieben, die vor Ort angebracht wurde.
Aber vorher essen und trinken. Auf dem Berg wird eine wundervolle, kleine Gaststätte betrieben die die zahlreichen Bergbesucher mit Schnitzel, Soljanka und allerhand Getränken versorgt. Nach einer schmackhaften Stärkung wanderten wir 15 Minuten weiter über die Stein- und Eisentreppen auf und ab zur Barbarine. Am Südplateau angekommen muss die Barbarine erst gesucht werden. Die Felsnadel versteckt sich etwas weiter links hinter dem Berg und wird erst sichtbar wenn die ersten Felsvorsprüngen betreten und erklommen werden. Ein zweiter Standpunkt für eine spannende Sicht bietet ein Aussichtspunkt, der über eine schmale Felsschlucht zu erreichen ist. Beide Spots sind absolut fotogen und lohnenswert. Wenn das Licht mitspielt. Leider hatten wir an diesem Abend wenig Glück.
Der Wetterbericht sagte Wolken voraus und hinter uns zog bereits eine Wand am Horizont auf. Genau dort an der sich in gut zwei Stunden die Sonne verabschieden sollte. Schade, denn wir haben auf schöne, pastellfarbene Zeichnungen am Himmel gehofft. Die Sonne hatten wir im Rücken. Eigentlich ideale Voraussetzungen dafür. Wir schossen ein paar Fotos und verabschiedeten uns von der Barbarine. Ein perfekter Fotospot, der unglaublich viele Perspektiven zulässt. Der Pfaffenstein bietet dem erschöpften Wanderer mit einem alternativen Weg eine entspannte Möglichkeit diesen Berg zu verlassen. Der seichtere Abstieg dauert zwar ca. zehn Minuten länger aber ist tatsächlich wesentlich gemütlicher.
Das graue Wetter wollten wir dennoch ausnutzen. Die tiefhängenden Wolken versprachen Nebelschwaden! Das was sich wohl viele Fotografen im Elbsandsteingebirge erhoffen. Nebel.
Vielleicht nicht in dieser Kombination mit grauen Wolken aber ich bin hinsichtlich dessen eh etwas anders gestrickt als die Masse. Ich liebe graues Regen- und Nebelwetter. Die Atmosphäre, die während dieser Wettersituationen entsteht, ist Balsam für die Seele. Die Umgebung um mich herum wirkt reduzierter und stiller. In solchen Momenten finde ich zu mir zurück und entspanne mich.Auf zum Kuhstall. Der Kuhstall ist das nach dem Prebischtor zweitgrößte Felsentor im Elbsandsteingebirge. Es befindet sich auf dem Neuen Wildenstein, einem 337 m hohen Felsen der Hinteren Sächsischen Schweiz. Der Aufstieg gestaltet sich überraschend einfach. Wir wandern einen verhältnismäßig gut angelegten Wanderweg nach oben. Rechts und links ziehen die dunklen Tannen an uns vorbei. Weiter oben lassen sich die dichten Nebelschwaden schon erahnen. Nach ca. 20 Minuten zu Fuß erreichen wir unser Ziel.
Eine Art breiter Felsdurchgang, der auf der anderen Seite den Blick auf die Sächsischen Berge freigibt, bzw. freigeben sollte, empfängt uns auf dem Gipfel. Eine graue Suppe lauert auf der anderen Seite, die droht alles und jeden zu verschlucken. Ich springe vor Freude dem Geländer entgegen uns sehe nichts. Nichts außer Nebelschwaden und Bäume die langsam in ihnen verschwinden.
Ringsherum die ersehnte Stille. Nichts ist zu hören. Wer bei Nebel von miserablem Fotolicht spricht hat noch nie in einer solchen Situation fotografiert. Unendlich viele ungewöhnliche Motive warten nur darauf fotografiert zu werden. Außergewöhnliche Fotos. Außergewöhnliche Maßnahmen. Wir arbeiten uns mit unseren Kameras über den Gipfel durch die Wälder an den zahlreichen Felsvorsprüngen entlang. Der Nebel lichter sich teilweise und gibt einen unglaublich schönen Blick auf die Tannen und die Berge im Hintergrund frei. Nur wenige Wanderer kreuzen unseren Weg. Wir sind so gut wie allein. Reiche Ausbeute. Abstieg. Nächster Halt. Die Barbarine. 2.0. Am Vorabend noch habe ich mir das Motiv im Nebel vorgestellt. Dass ich so schnell die Möglichkeit bekomme, diese Vorstellungen in die Wirklichkeit umzusetzen hätte ich nicht gedacht. Wir wählen den „leichten“ Weg nach oben. Er führt am Fuße des Pfaffenstein um den Berg herum und schlängelt sich unterhalb der Barbarine langsam hinauf. Leicht?
Der Abstieg vielleicht aber der 20 minütige Aufstieg ist mühsam. Schweißgebadet komme ich oben an. Daniel stolperte abgeschlagen von mir weiter unten dem Gipfel entgegen. Da wir den Spot bereits kannten konnten wir unsere Kameras an den Punkten aufstellen, die wir bereits am Vortag genutzt haben. Die Felsen waren feucht und erschwerten die Kletterei aber letztendlich, mit ein paar Schrammen mehr, konnten wir in aller Seelenruhe fotografieren.
Die Felsnadel verschwand leicht im Nebel und wirkte jetzt genau so wie ich sie mir vorgestellt habe. Ihre Sage wurde in diesem Moment zur Wirklichkeit. Nach gut zwei Stunden verabschiedeten wir uns von der Barbarine, dem Pfaffenstein und dem Elbsandsteingebirge. Wir beschlossen heim zu fahren. Der Nebel wurde strukturloser und grauer und die Spots, die wir ansteuern wollten haben wir besucht. Mit einem guten Gefühl im Bauch und mit vollen Speicherkarten schwangen wir uns ins Auto in Richtung Berlin. Liebe Sächsische Schweiz, wir sehen uns wieder.
Sehr bald, im Oktober.