Das SAMYANG Tilt-/Shift 24mm F3.5 ED AS UMC im Test

In diesem Testbericht möchte ich Dir einen Spezie unter den Spezialobjektiven vorstellen, der besonders Architekturfotografen durch spezielle Funktionen zu effektivem und sauberem Arbeiten verhilft und gleichzeitig noch wahnsinnig viel Kreativität zulässt, was die experimentelle Art der Fotografie angeht. Dieser "Klopper" begeistert!
Beim SAMYANG Tilt-/Shift 24mm F3.5 ED AS UMC handelt es sich mit seinen 700 g Eigengewicht nicht unbedingt um ein Leichtgewicht, was aber auch für dessen Funktionen spricht. Was mehr wiegt, kann in der Regel auch mehr. 
Zum Einstieg liefere ich Dir gern eine Kurzbeschreibung darüber, worum es sich beim Tilt-/Shift-Objektiv eigentlich handelt, welche Vorteile es Dir in den unterschiedlichsten fotografischen Situationen bringen kann und durch welche Besonderheiten es das Leben vieler Fotografen massiv erleichtert.

Das Tilt-/Shift-Objektiv
Viele Fotografen haben schon von diesem Spezialobjektiv gehört, doch trotzdem findet es sich erstaunlich selten in einer Kameraausrüstung wieder. Das mag auf der einen Seite an den aufwendigen Anwendungsschritten liegen, die den Fotografen dazu zwingen sich intensiv mit dem geplanten Foto zu beschäftigen. Ein weiterer Grund könnte der, im Vergleich zu anderen Objektiven, höhere Anschaffungspreis in Kombination mit den eher begrenzten Einsatzmöglichkeiten sein, was viele Fotografen schnell auf herkömmliche Objektive zurückgreifen lässt.
Bei näherer Betrachtung ist diese Objektivart eine sinnvolle Möglichkeit unnötige Nachbearbeitungsschritte zu vermeiden. Gleichzeitig zeichnet es sich als maßgeblicher Faktor zum Erhalt der Bildqualität aus.
Der Name Tilt-/Shift kommt aus dem Englischen und steht für die Funktionen des Verschwenkens (engl.: tilt) zum Verlegen der Schärfeebene und des Verschiebens (engl.: shift) mit dem das verbaute Linsensystem gegenüber der Sensorebene verändert wird um stürzende Linien innerhalb des Bildausschnitts zu vermeiden.

Die Shift-Funktion
Aus professioneller Sicht betrachtet findet das Tilt-/Shift-Objektiv hauptsächlich in der Architekturfotografie Anwendung, da in diesem fotografischen Bereich neben einer hohen Abbildungsleistung für die optimale Darstellung kleinster Details vor allem Fotos ohne perspektivische Abbildungsfehler geschossen werden müssen um eine makellose Bildqualität bereitzustellen. Unerwünschte Verzerrungen, also stürzende Linien, die durch das Kippen und Neigen der Kamera entstehen, müssen in der Regel durch eine gezielte Nachbearbeitung korrigiert werden, was vor allem Zeit frisst und sich darüber hinaus, bei erhöhtem Korrekturbedarf, negativ auf die Qualität des Endprodukts auswirken kann.
Möchtest Du ein Gebäude vom Boden aus fotografieren, bist Du, je nach Größe und Entfernung zum Motiv, gezwungen die Kamera nach oben zu kippen, was zu dem Problem führt, dass vertikale Linien, die eigentlich parallel zueinander verlaufen, auf einen Fluchtpunkt zulaufen und optisch nach hinten weg stürzen. Daher der Begriff "Stürzende Linien".

Je stärker die Kamera gekippt wird, desto stärker wirkt sich dieser Bildfehler auf die vorhandenen Vertikalen aus. Dieses unerwünschte Stürzen lässt sich nur vermeiden, wenn auf das Kippen der Kamera verzichtet wird, was i.d.R. nur dann möglich ist, wenn sich der Fotograf auf einem erhöhten Standpunkt aufhält. Und wir alle wissen, dass dieser Idealzustand nur selten erreicht wird.
Die Shift-Funktion ist die wohl komfortablere Methode zum Fotografieren schnurgerader Gebäude, da durch das Verschieben der Linse die drohenden perspektivischen Verzerrungen, vermieden werden können.
Richtest Du Deine Kamera also gerade auf ein hohes Gebäude, sodass alle vertikalen Linien unverzerrt abgebildet werden, und shiftest anschließend nach oben, verschiebt sich der Bildausschnitt derart, dass das Gebäude vollständig im Bildausschnitt abgebildet wird, ohne dass Du die Kamera nach oben gekippt musst.

Die Korrektur stürzender Linien lässt sich zwar ohne Probleme in der Nachbearbeitung vornehmen, bedarf aber etwas Übung und vor allem Voraussicht beim Fotografieren. Durch das nachträgliche Entzerren stürzender Linien verliert das Foto an den Rändern womöglich Bildinformationen, die Dir wichtig wichtig waren und der Bildwirkung zuträglich waren. Aus diesem Grund kann ich nur immer wieder empfehlen mit etwas mehr Luft zum Bildrand zu fotografieren. Wegschneiden ist in den wenigsten Fällen das Problem. Also merke Dir schon während der Bildkomposition: "Lieber haben als brauchen!"
Ein weiterer Grund, der gegen das nachträgliche Entzerren vertikaler in exzessiver Ausübung spricht, ist die daraus resultierende verminderte Bildqualität, die sich auf die Schärfe und Brillanz Deines Fotos auswirken kann.

Der Tilt-Effekt
Fotos oder Videos, die sich besonders durch große, unscharfe Bereiche auszeichnen, und die Motive wie in einer Art Miniaturlandschaft darstellen, werden zu großer Wahrscheinlichkeit mit einem Tilt-/Shift-Objektiv erstellt. Der Tilt-Effekt ist eher eine Randerscheinung dieses Objektivs und entspricht nicht dessen Hauptaufgabe, was uns zum experimentellen Teil dieses Berichtes bringt.
Das sogenannte Tilten, also das Verschwenken, basiert auf der Scheimpflugschen Regel, entwickelt durch Theodor Scheimpflug, der einen großen Teil seines Lebens dem Erstellen von Landkarten mit Hilfe von Fotografien widmete, die er aus seinem Ballon heraus schoss. In den meisten Fällen ließ es sich nicht vermeiden, die Kamera zu neigen, wodurch Teile des Fotos unscharf wurden, was dem Erstellen von Landkarten ganz und gar nicht zu Gute kam. Jedoch fand der weise Herr Scheimpflug durch unzählige Versuche heraus, dass eine Fotoaufnahme vollständig scharf abgebildet wird, wenn er die Parallele der Bild-, Objektiv- und Schärfeebene verändert, indem er das Objektiv kippt. Seine Entdeckung besagt, dass sich für ein durchgehend scharfes Foto die Bild-, die Objektiv- und die Schärfeebene auf einer gemeinsamen Geraden befinden müssen.
Für einen wirkungsvollen Tilt-Effekt, wird das Vorgehen des Herrn Scheimpflug allerdings vollkommen gegenteilig angewendet, indem die Schärfeebenen durch Verwendung eines Tilt-/Shift-Objektivs so verändert werden, dass durch mehrere Unschärfeebenen der faszinierende Miniatureffekt entsteht.

Um präzise Ergebnisse zu erzielen, arbeite ich generell auf einem Stativ, doch wie immer im Leben macht Übung den Meister, sodass sich das SAMYANG Tilt-/Shift 24mm F3.5 ED AS UMC auch freihand erfolgreich bedienen lässt. Natürlich lässt sich das Objektiv auch ohne jegliche Verstellung problemlos als manuelles Weitwinkelobjektiv nutzen.
Das Tilten und Shiften kann unabhängig voneinander vorgenommen werden, da die entsprechenden Hebel auf übereinander angebrachten Ringen liegen und sich getrennt voneinander bedienen lassen. Ein wesentlicher Vorteil, aus dem sich weitere kreative Möglichkeiten ergeben, da zeitgleich nach oben geshiftet und zur Seite getiltet werden kann.

Das Objektiv - Lieferumfang und Ausstattung
Das SAMYANG Tilt-/Shift 24mm F3.5 ED AS UMC befindet sich beim Kauf in einem schwarzen, aus synthetischem Samt bestehenden, Objektivbeutel und wird samt notwendiger Schutzdeckel für Linse und Anschlussgewinde geliefert. Eine Gegenlichtblende ist nicht vorhanden.

Mit der größtmöglichen Blendeneinstellung von f/3,5 und einer für mich idealen Brennweite von 24mm, die einen Großteil meiner Wunschmotive abdecken und mich erfahrungsgemäß weder dazu zwingen eine große Entfernung zum Motiv einzunehmen, noch sehr nahe ans Fotomotiv rücken zu müssen.
Die optische Konstruktion wurde mit 16 vergüteten Glaselementen, die u.A. aus zwei asphärisch geschliffene Linsen und zwei ED-Linsen bestehen, die durch eine besonders gleichmäßige Streuung aller Lichtfarben eine fehlerarme Abbildungsleistung gewährleisten.
Das Shiften ermöglicht einen Verstellweg von 12mm in jede Richtung. Tilten lässt sich die Linse um bis zu 8,5 Grad.
Eine Umstellung für viele Fotografen ist der fehlende Autofokus, der sich allerdings generell bei keinem auf dem Markt erhältlichen Tilt-/Shift-Objektiv finden lässt. Aufgrund der durchdachten Einstellmöglichkeiten, die vor jeder Aufnahme angepasst werden müssen und viel Zeit in Anspruch nehmen, vermisse ich den Autofokus, aus komfortablen Gesichtspunkten betrachtet, nicht. Die Fokuseinstellung ist der wohl geringste Arbeitsschritt bei der Verwendung eines Tilt-/Shift-Objektivs.
Die Blende lässt sich nicht über die Kamera steuern, sondern wird direkt am Blendenring eingestellt. Eine Übertragung des Blendenwerts an die Kamera erfolgt dabei nicht.

  • Vollformatobjektiv
  • 24mm Festbrennweite
  • Besonders geeignet in der Architektur- und Landschaftsfotografie
  • Hochwertige Optik bestehend aus 16 vergütetem Glaselementen für eine überzeugende Detailschärfe
  • UMC-Antireflexbeschichtung zur Abbildung hoher Kontraste und natürlicher Farben
  • Erhältlich für Canon EF, Canon M, Nikon F, Pentax K, Sony A, Sony E, MFT, Samsung NX und Fujifilm X
  • Maße: 8.59 x 8.59 x 11.29 cm
  • Gewicht: 0,7 kg
  • Größte Blendenöffnung: f/3,5
  • Filterdurchmesser 82 mm
Die Bildqualität
Das Einsatzgebiet des SAMYANG Tilt-/Shift 24mm F3.5 ED AS UMC liegt größtenteils in der Architekturfotografie, sodass eine gute Abbildungsleistungen notwendig ist um eine Bildqualität auf hohen Niveau zu liefern. Die abgebildeten Motive, in diesem Fall die Vertikalen der fotografierten Gebäude, sollten möglichst unverzerrt und scharf wiedergegeben werden.

Für einen strukturierten Überblick der Abbildungsleistungen des Objektivs, werde ich zwei Testreihen schießen, die aus einer unverstellten Reihe und einer geshifteten Reihe bestehen.
Die Fotos ohne Verschiebung werde ich, um die Bildqualität besser vergleichen zu können, mit einem Sony SEL FE 24-105mm F4,0 G OSS schießen. Sämtliche Aufnahmen werden mit einer Sony a7r IV im RAW-Format geschossen, in Adobe Lightroom verarbeitet und in Adobe Photoshop zu den geplanten Testreihen zusammengestellt.
Da die Abbildungsleistung eines Objektivs in der Bildmitte und den Rändern in vielen Fällen variiert, was u.A. mit der verwendeten Blendeneinstellung zusammenhängt, werde ich die Testreihen jeweils mit Ausschnitten der Mitte und der rechten, oberen Ecke zusammenstellen und mit verschiedenen Blendeneinstellungen von der Offenblende bis zur maximal geschlossenen Blende fotografieren.

Schon bei Bild 2 macht sich erstaunlich schnell die vergütete Qualität dieser Linse bemerkbar. Viele günstige Tilt-/Shift-Objektive zeigen ihre qualitativen Defizite recht schnell in Form von tonnenförmigen Verzeichnungen der Vertikalen und Horizontalen. Die stürzenden Linien werden von ihnen ohne Probleme ausgeglichen, jedoch erzeugen sie dafür unliebsame Verzeichnungen, die das Foto nicht wirklich schöner machen und in der Nachbearbeitung nur noch schwer zu korrigieren sind.
Für die Aufnahme von Bild 2 habe ich das SAMYANG Tilt-/Shift 24mm F3.5 ED AS UMC bis zum Anschlag nach oben geshiftet um eventuelle Abbildungsfehler deutlicher zu erkennen aber selbst am Anschlag weist das Objektiv in den vertikalen Trägern des Gebäudes keinerlei Verzeichnungen auf.
Bei Bild 3 bis 5 kam es mir vor allem auf die Abbildungsleistung von Schärfe und Details des Tilt-/Shift-Objektivs an. Viele Weitwinkelobjektive erzeugen an den Bildrändern sogenannte Randunschärfen, also unscharfe Bereiche, die zum Bildrand hin zunehmen. Grund dafür sind die teils sehr starken Linsenwölbungen oder eine minderwertige Verarbeitung. Außerdem können, besonders beim offenblendigen Fotografieren, störende chromatische Aberrationen, also Farbränder, auftreten.
Zu meiner Überraschung zeigt diese Tilt-/Shift-Linse selbst bei einer offenen Blende von f/4,0 keinerlei Aberrationen und selbst eine von mir erwartete Randunschärfe wird nur minimal erkennbar. Mit 24mm bewegt sich das Objektiv zwar am äußersten Rand des Weitwinkelbereichs, was unscharfe Ränder erfahrungsgemäß aber nicht ausschließt.

Fazit
Ambitionierte Architekturfotografen werden das präzise Fotografieren vor Ort dem nachträglichen Entzerren stürzender Linien bei der täglichen Arbeit gern vorziehen.
Preislich liegt die Linse mit ca. 730.00 € weit unter den Preisempfehlungen andere Objektivhersteller, deren günstigste Tilt-/Shift-Objektive bei ca. 1000.00 € beginnen. Die minimal auftretenden Randunschärfen sind also durchaus verschmerzbar. Das Preis-Leistungsverhältnis bei diesem Schnäppchen bewegt sich in einem gesunden Rahmen, sodass das SAMYANG Tilt-/Shift 24mm F3.5 ED AS UMC mittlerweile auch in meinem Kamerarucksack einen festen Platz gefunden hat.

Mein Dank gilt SAMYANG und Foto Walser, die mir dieses Objektiv zur Verfügung gestellt haben!

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