Als Landschaftsfotograf sind mir die Perseiden natürlich ein Begriff und nach meinen ersten Gehversuchen frage ich mich, was mich in der Vergangenheit davon abgehalten hat diesem ereignisreichen Naturschauspiel beizuwohnen und an der fotografischen Jagd auf die begehrten Sternschnuppen teilzunehmen.
Die Perseiden, von den Romantikern unter uns gern auch liebevoll als Laurentiustränen oder Tränen des Laurentius bezeichnet, sind ein jährlich wiederkehrender Meteorstrom, der sich zwischen Ende Juli bis Mitte August von der Erde aus beobachten lässt. Der Ursprung dieses Stroms, dessen Meteore manchmal sogar die Helligkeit der Venus erreichen, liegt im namensgebenden Sternbild Perseus, nahe der Grenze zur Kassiopeia.
Nur durch Zufall erfahre ich Mitte Juli 2020 beim Surfen im Internet von dem in Kürze anstehenden Phänomen aus den Tiefen des Weltalls. Die anschließende Stöberei im World Wide Web bringt faszinierende Fotos der Perseiden zum Vorschein, die mich restlos begeistern. Sowas will ich auch machen! Da "fucking" Corona meine Sommerpläne eh heillos durcheinander wirbelt und einschränkt, befinden sich nach einigen ausgedehnten Bildbearbeitungssessions kaum noch aktuelle Raw-Dateien in der Pipeline. Die Sternschnuppenjagd kommt mir wie gerufen. Die Zeit ist reif für weitere unentdeckte Motive und neue, spannende Fotoerlebnisse.
Da sich die ersten glühenden Meteore laut Vorhersagen bereits Ende Juli auf die Erde stürzen sollen, beschließe ich mein Lager im lauschigen luckenwalder Garten meiner Eltern aufzuschlagen und des nachts auf die Pirsch zu gehen.
Die stockdunkle Nacht bereitet mir erfahrungsgemäß etwas Unbehagen, aber zwei Foto-Freunde, die im gezielten Fotografieren von Sternschnuppen genauso ungeübt sind wie ich, erbarmen sich meines unentwegten Flehens mich zu begleiten.
Hier ein seltsames Rascheln. Dort ein ungewohntes Gurren. Weit entfernt ein beängstigendes Huhu huhu. Huhu huhu. Die Geräusche lassen meine Fantasie, die mich in Büschen und Bäumen bedrohlich auf mich herab schauende Gesichter erkennen lässt, Springseil hüpfen.
Schwer bewaffnet mit meiner Kamera und dem Ultra-Weitwinkelobjektiv AF 14/2,8 FE von SAMYANG sowie meinem "schlagfertigen" Stativ, einer Infrarot-Fernbedienung und dem HAIDA Clear Night Filter ziehe ich mit den Beiden kurz nach Sonnenuntergang durch die brandenburgische Pampa.
Da ich als ausgesprochener Spinnenliebhaber bekanntermaßen alles knuddeln könnte was im dichten Gestrüpp, im morschen Unterholz und im raschelnden Schilf kreucht und fleucht, bewege ich mich selbstsicher durch die vom Regen aufgeweichte Wiesenlandschaft. NOT!
Hier und da entspringen mir mal leise und mal weniger leise, schrille Kreischlaute aufgrund unbekannter Krabbelviecher auf meiner Haut, dass ein Fremder meinen könnte mein Östrogenspiegel liegt deutlich über dem maskulinen Maximalwert. ALARMSTUFE ROT signalisiert mir mein Hirn sobald sich mir kribbelnde Insekten nähern und es sich, in meiner Welt, zur Aufgabe gemacht haben Angst und Schrecken zu verbreiten. Nervige Stechmückenschwärme tun ihr Übriges und terrorisieren uns nach kurzer Zeit unermüdlich aber was muss das muss. ALLES FÜR DAS FOTO! ALLES FÜR DEN CLUB!
Kleine Fotokunde zum erfolgreichen Aufnehmen des nächtlichen Sternenhimmels
Um dem Nachthimmel so viel Platz wie möglich im Bildausschnitt zu geben und trotzdem einen wirkungsvollen Bildaufbau zu präsentieren, eignet sich die Ultra-Weitwinkel-Festbrennweite von SAMYANG mit ihren 14,0 mm perfekt für die Nachtfotografie. Die Schwierigkeit besteht darin einen ausgewogenen Grat zwischen der dominanten Präsenz des Himmels, der die restlichen Bildelemente jedoch nicht erschlagen darf, und der dominierenden Rolle des Hauptmotivs zu finden. Ein leuchtender Sternenhimmel fällt aufgrund seiner faszinierenden Strukturen und Farben sofort ins Auge, sodass das eigentliche Hauptmotiv durch eine ungünstige Bildkomposition schnell die zweite Geige spielen kann. Der Himmel darf gern einen großen Teil des Bildausschnitts einnehmen, sollte dem Hauptmotiv jedoch nie die Show stehlen.
Je mehr Platz der Himmel einnimmt, desto größer ist natürlich die Wahrscheinlichkeit, dass eine verglühenden Sternschnuppe auf der Speicherkarte festgehalten wird, ABER ... stumpf und unüberlegt den Nachthimmel abzulichten ohne einem potentiellen Hauptmotiv, wie beispielsweise einem interessanten Baum, einer leeren Bank oder einer dynamischen Flussgabelung, die Rolle zu verleihen, die es verdient hätte um deutlich wahrgenommen zu werden, ist dann doch etwas sehr ideenlos.
Die Kameraeinstellungen in der Nachtfotografie sind einfach vorzunehmen. Für einen leuchtenden Sternenhimmel braucht es viel Licht, das auf den Sensor treffen muss, sodass die Blende so weit es geht geöffnet und der ISO-Wert erhöht werden sollte. Erfahrungsgemäß reicht ein ISO-Wert zwischen ISO 3200 und ISO 4000 aus, obwohl sich diese Einstellung nicht generalisieren lässt. Hier gilt es einen Kompromiss in der Anpassung des ISO-Werts einzugehen. Der Wert sollte hoch genug für eine optimale Lichtempfindlichkeit des Kamerasensors sein um ein gut belichtetes Foto zu schießen, darf aber nicht so hoch eingestellt werden, dass auftretendes Bildrauschen die Bildqualität negativ beeinträchtigt. Eine interne High-ISO Rauschreduzierung lässt sich mittlerweile im Menü jeder modernen Digitalkamera aktivieren, um auftretendes Rauschen zumindest etwas zu minimieren. Lässt sich die Stärke der Rauschreduzierung optional einstellen, ist eine geringe oder mittlere Intensität am sinnvollsten da die Kamera bei starkem Bildrauschen nicht mehr zwischen Sternen und Störpixeln unterscheiden kann. Die Gefahr besteht, dass kleine Sterne durch diese Art der kamerainternen Rauschreduzierung herausgerechnet werden könnten, was einen Detailverlust des Himmels zur Folge hat.
Aufgrund der Erdrotation sollte die Belichtungszeit die 25,0-Sekundenmarke nicht überschreiten um die aufgenommenen Sterne scharf abbilden zu können. Aus meiner Erfahrung heraus behaupte ich sogar, dass 20,0 Sekunden das Maximum der Belichtungszeit im Weitwinkelbereich darstellen, da mir bei einer Verschlusszeit von 25,0 s bereits des Öfteren leicht verzogene Sterne im gesamten Bildausschnitt aufgefallen sind.
Für eine überzeugende Bildschärfe kann das Objektiv entweder auf Unendlich (Am Objektiv markiert mit einer liegenden 8) scharf gestellt werden, wobei die Gewissheit bestehen sollte, dass das Objektiv bei dieser Einstellung tatsächlich scharfe Fotos abliefert. Ein kurzer Schärfetest bei Tageslicht schafft Klarheit ob die Bildschärfe auf der Unendlich-Einstellung am höchsten erscheint oder ob die Schärfe eher kurz vor oder hinter der liegenden Acht schärfere Fotos erzeugt. Schon kleine Vorbereitungsschritte können über Aufstieg und Fall einer ganzen Fotonacht entscheiden. Wer schlecht vorbereitet und auf blauen Dunst eine Fototour durchführt zieht in der Regel, aufgrund unliebsamer Überraschungen und mangelnder Kenntnisse des eigenen Fotoequipments, den Kürzeren.
Ein weiterer Weg zur optimalen Schärfe ist das manuelle Scharfstellen im Live-View-Modus, in dem die Bildschärfe auf einen weit entfernten, kleinen Lichtpunkt gesetzt wird. Bei unveränderter Brennweite lässt es sich entspannt, erfolgreich und atemlos durch die Nacht fotografieren ohne die Schärfe für jedes weitere Motiv neu einstellen zu müssen. Wird die Brennweite bei Verwendung eines Zoom-Objektivs verändert, muss die Bildschärfe erneut angepasst werden, was in einer dunklen Nacht eine kleine Herausforderung darstellen kann, an denen sich besonders Fotoeinsteiger aufgrund mangelnder Erfahrungen ab und an die Zähne ausbeißen. Die Folge sind unnötige Frustmomente und demotivierende Fotophasen, die sich durch etwas Übung vermeiden ließen.
Den Clear Night Filter von HAIDA nutze ich ergänzend zur Beseitigung eventueller Lichtverschmutzung größerer Städte in der Ferne. Da auf das Weitwinkelobjektiv von SAMYANG aufgrund der starken Linsenkrümmung kein herkömmliches 100x100 mm Filtersystem passt, halte ich den Filter während der Aufnahme dicht vor die Linse.
In dieser Nacht, die nach guten 3 Stunden und etwa 150 geschossenen Fotos endet, sind die Erwartungen vollends erfüllt und sogar übertroffen worden. Gleich mehrere Sternschnuppen sind während der zahlreichen Auslösungen durch das Bild geschossen. Der überraschende Erfolg steigert meine Motivation, weiteren Perseiden nachzustellen, enorm. Aber aufgepasst! Nicht nur fliegende Steine bewegen sich am nächtlichen Himmel. Satelliten und Flugzeuge schwirren ständig über uns hinweg. Sie weisen auf den Fotos teilweise verblüffende Ähnlichkeiten zu den auftretenden Sternschnuppen auf. Flugzeuge lassen sich meist schnell durch eine gerade Reihe von leuchtenden Punkten entlarven. Vorbei fliegende Satelliten hingegen sehen einer Sternschnuppe auf dem Foto verdammt ähnlich. Um Irrtümer zu vermeiden ist es empfehlenswert den Himmel während des Aufnehmens im Auge zu behalten und die Fotos ohne Umwege zu löschen, auf denen sich die rasenden Satelliten befinden.
Die höchste Aktivität der Perseiden wird von den allseits bekannten Wetterfröschen Kachelmann & Co. für die Nächte um den 12. August herum prophezeit. Das dick gesetzte rote Kreuz im Kalender wird mich an diesen Höhepunkt erinnern.
Knappe zwei Wochen später ist es soweit. Die kommende Nacht vom 11. auf den 12. August 2020 ist die Nacht der Nächte und welcher Ort könnte schöner und, in diesen nervenaufreibenden Zeiten, besser geeignet sein als das Elbsandsteingebirge? Richtig. Keiner!
Sollten tiefziehende Wolken, den Blick auf die Sterne vom Tal aus verhindern, besteht noch immer die Möglichkeit, den nächtlichen Sternenhimmel von einem der zahlreichen, charakteristischen Gipfel der Sächsischen Schweiz aus zu bestaunen. Die Chancen einen Blick auf die fliegenden Schnuppen stehen im Gebirge wesentlich besser als im Flachland.
Nachmittags treten wir die 2,5 stündige Autofahrt ins idyllische Königstein an um der berühmten Wetterkiefer auf dem nahegelegenen Lilienstein einen Besuch abzustatten.
Etwa zwei Stunden nach Sonnenuntergang, und einem anstrengenden Aufstieg über einen mir bis dato unbekannten Pfad hinauf, beginnt sich der Sternenhimmel abzuzeichnen. Sogar ein Teil der Milchstraße ist mit bloßem Auge deutlich zu erkennen. Die Perseiden lassen sich nicht lange bitten und alle paar Minuten schießen mal kleine, schwache Lichtstreifen und mal dicke, leuchtende Brummer über unsere Köpfe am Nachthimmel hinweg.
Die ungewohnte Stille wird nur durch das Klicken unsere Auslöser unterbrochen, wobei ich diese friedlichen Momente nicht nur durch den Sucher, auf der Jagd nach dem nächsten Schuss, betrachte sondern in solch besonderen Situationen die Kamera gern Kamera sein lasse um mich auf das besondere Schauspiel einlassen zu können. Sternschnuppen stellen nicht nur wunderschöne Motive auf einem Foto dar sondern sind auch was für`s Auge.
Oft halten wir Inne und bestaunen das Spektakel von verschiedenen Standpunkten aus bestaunen während jeder von uns nur noch beiläufig den Auslöser drückt.
So vergehen gute zwei bis drei Stunden auf dem Gipfel des Liliensteins, bis wir beschließen der Bastei in dieser Nacht ebenfalls eine Chance zu geben. Der Vorteil am Fotostandort Bastei ist die problemlose Erreichbarkeit ohne schweißtreibende Aufstiege und die Fülle an unterschiedlichen Motiven.
Leider nimmt der Rückweg etwas mehr Zeit ein als geplant, was uns zum Verhängnis wird.
Schon von Weitem erkennen wir, dass der aufgehende Mond einen Großteil der leuchtenden Sterne überstrahlt. Je heller der Mond, desto weniger Sternen sind für unser Auge und auch für die Kamera sichtbar. Natürlich haben auch diese Fotos ihren Reiz.
Das intensive, weiche Mondlicht leuchtet die dunklen Schluchten der Bastei großartig aus.
Nach ein paar Auslösungen machen wir uns hundemüde gegen 03:00 Uhr morgens auf den Heimweg nach Berlin. Auf mich warten gleich morgens eine Menge beruflicher Termine, sodass der herbeigesehnte und dringend nötige Schlaf leider noch etwas warten muss. Das nächtliche Erlebnis und der Blick auf die Sterne und Sternschnuppen, die mir hoffentlich jeden noch so kleinen Wunsch erfüllen, war es mir allemal wert. Vergangene Nacht soll jedoch nicht die letzte Nacht während des Perseidenflugs gewesen sein.
Einer geht nämlich immer noch, denn das Thema hat mich urplötzlich gepackt und ich kann nicht genug bekommen. Ich beschließe kurzerhand den benachbarten Berliner Tiergarten unsicher zu machen um herauszufinden ob sich auch mitten in der Stadt, trotz extremer Lichtverschmutzung, ein paar Sterne, oder sogar Sternschnuppen, fotografieren lassen.
Ein paar Stunden nach Sonnenuntergang positioniere ich mich auf einer abgelegenen, dunklen Wiese nahe des Großen Sterns hinter dem Bismarck-Denkmal. Kaum aufgebaut schaue ich staunend mit bloßem Auge den ersten Meteoren beim Himmelsflug zu und überraschender Weise gelingt es mir unerwartet viele Sterne und sogar einen verglühenden Meteor der Perseiden aufzunehmen. Trotz intensiv strahlender Stadtbeleuchtung präsentieren sich die hellsten Sterne von ihrer schönsten Seite und bescheren mir zum Saisonabschluss ein Foto, über das ich mich riesig freue! Ich bin mir sicher, dass ich auch im August 2021 wieder in den hoffnungsvoll Nachthimmel starrend, durch die Landschaft tigern werde um die eine oder andere Sternschnuppe einzusammeln.
Ich danke Dir sehr für Dein Interesse an diesem Erfahrungsbericht und freue mich, dass Du bis zum Ende durchgehalten hast.
Foto: Maikel Meier
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